Sylaris – Zwischen Licht und Schatten – Kapitel 1 Part 4

„Hola, Vela“, rief Hector, als er lässig auf sie zutrat. Sein Ton war warm, seine Haltung offen, als hätte er die ganze Zeit gewusst, dass sie sich wiedersehen würden. Vela konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, es fühlte sich unerwartet gut an ein vertrautes Gesicht zu sehen, selbst wenn sie es erst seit einer Stunde kannte.

„Das ist wirklich lieb von dir, danke. Kennst du eigentlich schon andere Fae in der Stadt?“ fragte sie und stellte sich neben ihn, ihren Koffer an ihrer Seite.

Hector nickte sofort. „Oh si, Senora. Ich habe Freunde hier – Drillinge. Ich werde mich noch heute mit ihnen treffen.“

Vela hob erstaunt die Augenbrauen. „Drillinge? Das ist selten. Sehen sie sich ähnlich?“

Hector lachte, ein kehliges, warmes Lachen, das an ein offenes Feuer erinnerte. „Sí, man kann sie kaum auseinanderhalten.“

Vela stellte sich die Drei in der Stadt vor, wie sie Chaos und Glanz hinterließen und schüttelte lächelnd den Kopf. „Puh, das stelle ich mir anstrengend vor. Fährst du jetzt auch ins Hotel?“

Er nickte erneut. „Sí. Ich würde uns ein Taxi rufen, wenn das für dich in Ordnung ist. Und wenn du mir deine Handynummer gibst…?“

Er sprach die Bitte so beiläufig aus, dass Vela kaum zögerte. Es fühlte sich nicht aufdringlich an – eher wie eine notwendige Verbindung in einer Stadt, die noch keine Richtung hatte. Während sie ihre Nummer eintippte, rief Hector beim Taxiunternehmen an und bestellte einen Wagen in den neunten Bezirk, Aerion.

Die Wartezeit verging schnell, sie tauschten Reiseerlebnisse aus, sprachen über die ersten Eindrücke, lachten über zu trockene Snacks und zu feuchte Flugzeugdecken. Hector erzählte ihr von den Drillingen, alle Feuer-Fae und dass er nur ihretwegen nach Sylaris gekommen war. Es sei zu still gewesen zuhause meinte er mit einem müden, liebevollen Ausdruck, als wäre Chaos ihm lieber als Einsamkeit.

Als das Taxi vorfuhr, ein hellgelber Wagen mit schimmernden Linien, öffnete der Fahrer wortlos den Kofferraum. Gepäck verstauen, einsteigen, Tür zu. Der Wagen rollte sanft los, hinaus aus dem geschäftigen Treiben des Flughafens. Vela lehnte sich zurück und beobachtete, wie Sylaris langsam Gestalt annahm – nicht mehr als Geschichte, sondern als Welt.

Alte, prächtige Gebäude glitten vorbei, ihre Fassaden durchzogen von leuchtenden Mustern, die in der Luft zu tanzen schienen. Der Baustil änderte sich allmählich, wurde moderner, kühler, mit hohen Türmen, die in Goldtönen schimmerten. Dann, plötzlich, ein Gebäude, das Vela den Atem raubte: aus goldenem Marmor, umwunden von glühendem Eis, kristallene Säulen, die das Vordach trugen – das alles sang vor Magie, und Vela konnte es bis in den Sitz spüren. Selbst Hector schwieg einen Moment lang.

Im achten Bezirk, Floralis, wurde die Stadt weicher. Häuser aus Holz und Kristall, verwachsen mit lebenden Bäumen, Dächer aus Blattwerk, Fenster weit offen. Ein Park zog an ihnen vorbei, voller Blumen, Licht und Bewegung.

Der Taxifahrer bemerkte Velas Staunen. „Diese Kristalle stammen aus den Tiefen von Sylaris“, erklärte er ruhig. „Sie speichern Energie – Licht, Wärme, Magie. Bei Sonnenauf- und -untergang leuchtet der ganze Bezirk, wie die Schuppen eines Drachens.“

Als sie schließlich vor dem Hotel Celestia hielten, fiel ihr Blick direkt auf den Park, dessen Herzstück ein Brunnen war, aus dem klaren Wasser in weiten Bögen sprühte, umgeben von Blumen. Die Quelle, dachte sie sofort. Die, von der die Fae gesprochen hatte. Sie spürte ihre Präsenz – nicht laut, aber tief.

„Hier sind wir“, sagte Hector. „Welche Zimmernummer?“

Vela überlegte kurz. „64. Ein guter Anfang, oder?“ Sie lächelte ihn an. „Ich danke dir. Und viel Spaß heute Abend mit deinen Drillingen.“

Hector grinste. „Sí, Senora. Wir hören uns. Erhol dich gut.“ Dann trennten sich ihre Wege – ein leiser, aber irgendwie bedeutungsvoller Moment.

Vela trat an das Hotel heran. Es war aus goldenem Holz gebaut, durchzogen von türkisfarbenen Kristallen, die in der Abenddämmerung sanft leuchteten. Es wirkte nicht wie ein Hotel, sondern wie ein Teil des Waldes selbst, als hätte der Bezirk es eingeladen, dort zu stehen.

Drinnen war es still – nicht still wie Leere, sondern wie das erste Einatmen nach einem langen Tag. Kristalle warfen sanftes Licht über polierte Böden. Die Luft roch nach Magie und Blumen. Die Möbel waren schlicht, elegant, fast lebendig. Magie durchströmte alles, sogar die Luft.

Ihr Zimmer war wie ein Rückzugsort. Blaue und goldene Wände, ein Bett, dass sich beim ersten Kontakt anschmiegte, als wüsste es, was sie brauchte. Durch das große Fenster sah sie den Park – jetzt mit Lampen beleuchtet, die wie Glühwürmchen tanzten. Fae lachten, führten Magie vor, einige tanzten barfuß im Gras.

Vela stand eine Weile am Fenster. Dann zog sie sich aus, ließ das Licht mit einem Fingerschnippen erlöschen und glitt ins Bett. Es war weich. Warm. Atmend. Das Kissen nahm ihren Kopf auf, als würde es sie kennen. Ihr Haar breitete sich aus wie ein Schleier aus Flammen. Ihre Gedanken vernebelten sich, wurden schwer.

„Morgen“, dachte sie. „Morgen gehört diese Stadt auch mir.“ Dann fiel sie in einen Schlaf, der so tief war, dass er alles Alte mitnahm.

Autor