Sylaris – Zwischen Licht und Schatten – Kapitel 1

“In der Dunkelheit der Nacht, im Feuer des Morgens, im Wind der Freiheit, in den Tiefen des Wassers und der Stärke der Erde – Sylaris, erhaben und ungebrochen, der Ursprung der Elemente und der Wille, der den Mond erleuchtet.”


Pyrosia – Licht-Fae  
Mitgründerin von Sylaris
vor 200 Jahren

Es war ein kühler Wintermorgen, und der Himmel über Sylaris zeigte sich in sanftem Grau. Die Sonne versuchte vergeblich, sich ihren Weg durch die dichte Wolkendecke zu bahnen, wobei sie nur hin und wieder einen schwachen Strahl durch die Wolken schickte. Der Flughafen war voll von Reisenden, die ihren Weg durch die moderne Halle des Flughafens von Sylaris bahnten – einer architektonischen Meisterleistung aus Glas, Stahl und magischen Elementen. Überall flimmerten kleine Lichter und Funken, die in der Luft schwebten, und die Magie von Sylaris war in jedem Winkel der Halle spürbar.

Vela stand an der Gepäckkontrolle, das Kribbeln der Aufregung in ihrer Magie spürend. Der See, der ihre Magie in ihrem Inneren darstellte, schlug leichte Wellen, die mit jeder Sekunde größer wurden. Ihre Reise vom Festland hierher war lang gewesen, jeder ihrer Knochen schmerzte. Doch nun, da sie endlich in der Hauptstadt der Fae angekommen war, konnte sie ihre Freude nicht länger verbergen. Sie hatte viel über diese Stadt der Elemente gehört, und jetzt war sie endlich hier, bereit, eine neue Welt zu entdecken und sich ihren Platz in dieser lebendigen, magischen Stadt zu erobern.

Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, ihre Nervosität und die aufgewühlte Magie zu beruhigen, während sie auf den nächsten freien Schalter wartete. Ihre Magie reagierte besonders empfindlich auf ihre Gefühle und Wahrnehmungen – ein Fluch und ein Segen zugleich. Ihre Finger spielten nervös mit dem Griff ihres roten Rollkoffers, der sie auf dieser Reise begleitet hatte. Ihre Kleidung war schlicht, aber elegant. Sie hatte sich für einen dunklen, fast schwarzen Look entschieden, der sowohl praktisch als auch stilvoll war. Ein schwarzes Korsett formte ihre Silhouette, während die schwarze High-Waist-Hose und die schwarzen Lederboots ihre Beine lang und elegant wirken ließen. Ihre graue Jacke war schlicht, von feiner Qualität und perfekt für den Winter, der hier gerade seine letzten Züge machte. Sie fragte sich, ob sie die richtige Wahl getroffen hatte – hier waren die Fae viel farbenfroher gekleidet. Doch Vela wollte nicht auffallen. Sie wollte nicht wieder im Mittelpunkt stehen. Das war einer der Gründe, warum sie nach Sylaris gekommen war.

Vor ihr standen drei andere Fae in der Warteschlange, die ebenfalls ihre Koffer bei sich hatten. Es war eine Mischung aus verschiedenen Elementen, die hier zusammenkamen: Zwei Luft-Fae, die in ihren leichten, schimmernden Kleidern in der Luft schwebten, und ein Feuer-Fae, der trotz der Kälte mit einem eleganten roten Hemd anstand. Vela runzelte die Stirn. Warum mussten Luft-Fae ihre Magie immer so zur Schau stellen, als wäre der Boden es nicht wert, dass sie darauf liefen? Die anderen Reisenden gingen ruhig und selbstbewusst ihren Weg, doch Vela konnte es kaum erwarten, durch die Kontrolle zu kommen und die Freiheit der Stadt zu genießen. Ungeduldig trommelte sie mit ihren langen, spitzen Fingernägeln auf ihrem Koffer herum. Diese, abgesehen von ihrem leuchtend roten, langen Haar, waren das einzige Farbenfrohe an ihr. Vor ihrem Flug hatte Vela in einem Nagelstudio die Erd-Fae besucht, die ihre Nägel in einem wunderschönen, leuchtenden Moosgrün lackiert hatte. Durch die Magie der Erd-Fae waren ihre Nägel besonders stabil und konnten nicht brechen.

Endlich war sie an der Reihe. Ein Erd-Fae winkte Vela heran. Er war ein kräftiger Fae, mit einem kurzen Bart und in Erdtönen gekleidet. „Hallo, bitte legen Sie Ihr Gepäck auf das Band. Name?“, bat er mit einer tiefen, brummenden Stimme.

„Vela Meerwyn“, antwortete sie und nickte ihm zu, bevor sie ihren Koffer auf das Band legte. Sie trat einen Schritt zur Seite und beobachtete, wie der Mitarbeiter seine Hand über den Koffer hielt und etwas Unverständliches murmelte. Um seine Hand bildete sich ein leuchtendes Band aus Braun- und Grüntönen. Vermutlich überprüfte er ihren Koffer mit seiner Magie auf illegale Mittel.

„Was haben Sie in Ihrem Gepäck?“, fragte der Erd-Fae freundlich, aber routiniert, während er den Koffer untersuchte. Seine leuchtend grünen Augen blickten kurz zu Vela. „Bücher“, antwortete sie schnell, ihre Stimme ruhig, obwohl ihre Magie innerlich in Wellen schlug. Der Mitarbeiter richtete seinen Blick wieder auf sie und sah sie skeptisch an.

„Nur Bücher?“

Vela nickte und lächelte leicht. „Ja, nur Bücher. Ich habe meine Lieblingsbücher mitgenommen, von denen ich mich nicht trennen konnte.“ Der Mitarbeiter schüttelte leicht den Kopf und fragte: „Hätten Sie hier keine Bücher kaufen können?“

Vela lächelte verlegen und zuckte mit den Schultern. „Ehm, ja. Aber das sind meine Lieblingsbücher. Sie sind wie gute Freunde. Gute Freunde wechselt man nicht einfach aus. Man nimmt sie mit.“

Der Erd-Fae schmunzelte und zeigte auf den Koffer. „Ich bin fertig. Sie können Ihren Koffer wieder nehmen. Sehr ungewöhnlich. Werden Sie sich hier anpassen?“, fragte er, leicht belustigt.

„Naja, ich habe von der einzigartigen Mode in Sylaris gehört. Sie besteht aus den Elementen und Magie. Ich dachte, es wäre eine gute Gelegenheit, andere Fae kennenzulernen. In einer Stadt, in der ich niemanden kenne“, erklärte Vela und zuckte erneut verlegen mit den Schultern.

„Nun, das ist ungewöhnlich. Aber Ihre Wahl. Willkommen in Sylaris.“ Mit einem Nicken wandte er sich ab. Vela war entlassen.

Erleichtert verließ sie die Gepäckkontrolle und betrat den nächsten Bereich. Die weiche Wärme, die durch die magische Lüftungsanlage um sie herum strömte, beruhigte sie ein wenig. Der Empfang war freundlich, doch sie fühlte sich dennoch etwas verloren. Doch das würde sich bald ändern. Hoffentlich. Kaum hatte sie ein paar Schritte gemacht, kam eine andere Fae auf sie zu – eine zierliche Frau in einem eleganten, türkisfarbenen Outfit, das ihre Wasser-Fae-Herkunft verriet. Sie hatte ein angenehmes, herzliches Lächeln und eine beruhigende Ausstrahlung. Ihre smaragdgrünen Augen funkelten wie die Sonne, die sich auf einer Wasseroberfläche spiegelte.

„Willkommen in Sylaris“, sagte sie freundlich und legte ihre Hand auf Velas Schulter, um sie mit einer ruhigen Geste abzuklopfen und zu durchsuchen. „Wir müssen sicherstellen, dass alles in Ordnung ist.“

Vela nickte und ließ sich ruhig abtasten. Sie spürte die sanften Wellen einer fremden Magie, die den Sturm, der in ihr tobte, beruhigten, bis der See ihrer Magie wie ein azurblauer Spiegel vor ihr lag. Langsam ließ die Anspannung von ihr ab, ihre Schultern lockerten sich.

„Danke“, sagte sie leise und fühlte sich von der beruhigenden Magie der Wasser-Fae umarmt. „Es ist so aufregend, hier zu sein.“

„Ich verstehe“, antwortete die Wasser-Fae, die immer noch lächelte. „Viele Neulinge fühlen sich so. Aber keine Sorge, hier in Sylaris ist jeder willkommen. Genieß deine Zeit hier – du wirst viel erleben.“

Vela erwiderte das Lächeln und griff nach der Kette, die sie um ihren Hals trug. Die Wasser-Fae folgte ihrem Blick und deutete auf Velas Hand. „Was hast du da?“

Vela ließ die Kette sichtbar werden. Es war eine feingliedrige silberne Kette, an der ein Rubin hing. Der Rubin war so groß wie eine Walnuss und geschliffen wie ein Tropfen. In dem Rubin brannte eine Flamme.

„Darf ich?“, fragte die Fae.

Vela nickte. Sie fühlte sich mittlerweile fast wie ein Wackeldackel, mit all dem Nicken.

Die Wasser-Fae hielt ihre Hand über die Kette und ließ ihre Magie frei. Die Magie tastete vorsichtig nach bösen Zaubern, doch die Stirn der Fae legte sich in Falten, als sie ihre Hand sinken ließ. „Es ist ein Familienerbstück. Es trägt keine Magie in sich.“

„Ja, das habe ich bemerkt“, antwortete Vela. „Sie schaut nach mehr aus, als sie es ist.“

Die Wasser-Fae winkte Vela weiter und wünschte ihr alles Gute.

Fortsetzung folgt…

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